Thomas_Flum_Ein Beitrag zur Blog-Parade „Zukunft der Arbeit“, in Vorbereitung auf die KnowTech 2015: Wie arbeiten wir in Zukunft? Ersetzen uns zukünftig Maschinen? Wie verändert sich unsere Arbeitswelt konkret? Hat der heutige Arbeitsplatz schon bald ausgedient? (von Thomas Flum, Gründer und Geschäftsführer von equeo)

Nähern wir uns dem Thema über die veränderten Anforderungen in der Arbeitswelt der Zukunft im Bereich Produktion – diese Wahl überrascht natürlich keineswegs, schließlich gehört „Industrie 4.0“ schon seit einiger Zeit zu den großen Themen, wenn auch meist mit Fokus auf zunehmende Automatisierung und dem in diesem Zusammenhang befürchteten Verlust einer großen Zahl von Arbeitsplätzen.

Die Anforderungen an die weiterhin in der Industrie beschäftigten Mitarbeiter werden sich verändern – übergreifende Kenntnisse und Fähigkeiten werden in ihrer Bedeutung steigen, Menschen werden zu „Dirigenten“ der Maschinen. Vornehmlich gehört dazu die Entlastung der Arbeitnehmer von Routineaufgaben, die dann tatsächlich von Maschinen ausgeführt würden. Im Gegenzug steigt die Verantwortung der einzelnen Mitarbeiter, auch in Bezug auf die Arbeitsabläufe, die zunehmend selbst zu organisieren sein werden.

Mitarbeiter wandeln sich zu „internen Kunden“, deren Bedürfnisse und Fähigkeiten besser berücksichtigt werden müssen (oder zum „Unternehmensbürger“, wie Thomas Sattelberger vorschlägt). Dies beinhaltet eine humanorientierte Gestaltung der Arbeitsorganisation, bedingt durch den demographischen Wandel mit besonderer Rücksicht auf ältere Arbeitnehmer, Teilzeitmodelle und Arbeit im Home Office (Stichwort Work-Life-Balance).

Gleichzeitig steigen damit die Anforderungen an Unternehmen, ihre Mitarbeiter immer „auf dem neuesten Stand zu halten“ – der Stellenwert des lebenslangen Lernens wird stark ansteigen, da Mitarbeiter mit ihrer (Erst-)Ausbildung dauerhaft kaum bestehen können. Lebenslanges Lernen lässt sich auch nicht an Schulen oder Universitäten delegieren, denn diese Systeme sind in ihrer breiten Ausbildungssystematik nur sehr langsam, was die Berücksichtigung von Neuerungen angeht. Unternehmen werden nicht umhin kommen, in der kontinuierlichen Weiterbildung ihrer Mitarbeiter aktiv zu werden, oder zumindest aktiver als bisher – denn jeder Mitarbeiter ist dauerhaft ein „Lernender“.

Vom Arbeitgeber verordnete, klassische Weiterbildungsmaßnahmen (auch E-Learning) mit eventuell im Learning-Management-System gespeicherten Ergebnissen haben allerdings wenig mit Selbstbestimmung zu tun. Offene Lernumgebungen, in denen eine Vielzahl an Angeboten für den Lernenden vorgehalten wird und er sich noch dazu mit anderen Lernenden themenbezogen vernetzen kann, orientieren sich schon eher an dem Ideal der zukünftigen Arbeitswelt. So kann sich jeder Einzelne seine persönlichen Ziele setzen und in seiner eigenen Verantwortung nachverfolgen. Auch Prof. Dr. Henning Kagermann (Präsident von Acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Renaissance des E-Learning“ unter der Bedingung, dass „Lerninhalte individuell und situationsspezifisch vermittelt“ werden.

Dieses „neue“ E-Learning bezeichnen wir als Smart Learning.

Vier Merkmale kennzeichnen Smart Learning:

Beispiel Weltweit Wachsen (Google): Kurze Trainingseinheiten (www.weltweitwachsen.de/lernvideos)
Beispiel Weltweit Wachsen (Google): Kurze Trainingseinheiten

(1) Kleine modulare Lerneinheiten: beinhalten aktuell relevante Informationen, in Umfang und Komplexitätsgrad an den Bedarf in der konkreten Situation und an Vorwissen und Verhalten des Nutzers angepasst – Beispiel: kurze Videos, in denen jeweils genau eine Frage beantwortet wird, durch einen Experten oder eine erklärende Animation. Diese können unabhängig von Ort und Zeit abgerufen werden – auf dem bevorzugten Endgerät des Lernenden. Das kann ein Smartphone oder ein Tablet, aber in Zukunft auch die Maschine selbst sein. Werkzeuge werden durch das Internet der Dinge zu „Lernzeugen“ – kombinierten Arbeits- und Lerngeräten.

Beispiel Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG): Verknüpfung mit Experten (knowledgebase.startup-clinics.com/experts)
Beispiel HIIG: Verknüpfung mit Experten

(2) Austausch: Lernende vertiefen Inhalte gemeinsam, unterstützen einander gegenseitig in der Lösungsfindung – Beispiel: Inhalte werden nicht mehr (nur) in einem zentralen System bereitstellt, sondern auf eine konkrete Frage hin werden betriebliche Experten vorgeschlagen (aus dem unternehmensinternen sozialen Netzwerk), so dass alle voneinander lernen. Der Wissensaustausch wird auf diese Weise erleichtert und gefördert, Menschen werden mit Menschen verbunden, nicht mit einem System.

Beispiel equeo: Learning Analytics Engine
Beispiel equeo: Learning Analytics Engine

(3) Analytics: das individuelle Lernverhalten wird ausgewertet, um Lerninhalte intelligent zusammenstellen und produzieren zu können – Beispiel: Mitarbeiter unterscheiden sich darin, wie viel Unterstützung sie brauchen, um sich eigenständig und eigenverantwortlich fortzubilden. Aber auch die Lerninhalte selbst werden einer qualitativen Überprüfung unterzogen, indem Lernende diese bewerten oder Analysen zeigen, ob ein Inhalt eventuell nicht optimal aufbereitet wurde.

Beispiel Lucas-Nülle: Mobile Learning am Modell Fertigungsstraße
Beispiel Lucas-Nülle:
Mobile Learning am Modell Fertigungsstraße

(4) Adaptivität: Inhalte werden situationsbezogen an Vorkenntnisse, Lernverhalten und Nutzungsgewohnheiten des Lernenden angepasst – Beispiel: ein Mitarbeiter in einer Fabrik bearbeitet eine Lerneinheit zum Umgang mit einer Maschine. Damit die Lerneinheit genau der Situation angepasst werden kann, wird der Zustand der Maschine unter Berücksichtigung der Vorkenntnisse des Mitarbeiters auf dessen Smartphone übertragen, das sich zuvor mit der Maschine verbindet. So ist die Lerneinheit praxisnah in den Arbeitsalltag integriert.

Lernen Wird zum Teil des Arbeitsalltags – durch Smart Learning

Neben grundsätzlichen Weiterbildungsangeboten (die es auch weiterhin geben wird) werden Mitarbeiter direkt am Arbeitsplatz aus- und weitergebildet, unterstützet durch eine neue E-Learning-Generation, die situations- und anwenderorientierte Lerninhalte zur Verfügung stellt. Daraus entstehen Möglichkeiten des erleichterten Wissensaustausches sowie neuer Lehrformen, gefördert durch einfache Bedienung und Nutzerfreundlichkeit.

Da in Zukunft die Weiterbildung den Lernenden in den Mittelpunkt stellt und es wichtiger wird, den Lernprozess zu unterstützen, wird sich die Rolle des Lehrenden wandeln. In der Praxis werden die Grenzen zwischen Vorbereitung und Durchführung einer Bildungs- oder E-Learning-Maßnahme verschwimmen: Sowohl der Lernende als auch der Lehrende werden die neuen Weiterbildungen gemeinsam gestalten und absolvieren.

Der Erfolg von Industrie 4.0 (und der Zukunft der Arbeitswelt) hängt keineswegs nur von der Einführung neuer Technologien ab – in der Produktion wie in Kommunikation und Ausbildung. Besonders die Bedürfnisse und der Mitarbeiter sind zu berücksichtigen, um den Vorbehalten bezüglich der Digitalisierung entgegenwirken und stattdessen die Chancen des Wandels erfolgreich nutzen zu können – und die Mitarbeiter in diesen Prozess einzubeziehen. Diese Mitarbeiter werden auch leichter im Unternehmen zu halten sein: So zahlt sich eine moderne, bedürfnisgerecht skalierbare Weiterbildungsmöglichkeit für das Unternehmen am Ende doppelt aus.