Wir kennen sie schon heute: Alexa, Siri, Google oder Cortana. Digitale Assistenten und tägliche Begleiter, die uns ganz neue Möglichkeiten des Zugangs zu Wissen ermöglichen und uns schon heute Arbeiten teilweise abnehmen. Sie helfen dabei die Kommunikation zu verkürzen, sparen uns Zeit und sind vor allem bequem. Prof. Lothar Abicht ist wissenschaftlicher Direktor des Cryco Think Tank for Future Studies in Düsseldorf und beantwortet equeo einige Fragen zum Thema „Digitale persönliche Assistenten“.

equeo: Prof. Abicht, Sie sagen, dass wir bis 2030 über eine Vielzahl von digitalen intelligenten persönlichen Assistenten auf unterschiedlichen Entwicklungsniveaus verfügen werden, die u.a. das Wissen individualisieren, bevor es uns Menschen erreicht. Wie wird diese Entwicklung fortschreiten?

Prof. Dr. Abicht: Vermutlich werden wir spezialisierter Assistenten für verschiedene Aufgaben nutzen. Vom Bankberater über den Gesundheitsberater bis hin zum Lernbegleiter oder persönlichen Avatar.

equeo: Welche Bedeutung werden diese neuen intelligenten Assistenten für das Lernen in der nahen Zukunft haben?

Prof. Dr. Abicht: Die Folgen sind sehr weitgehend, werden sich aber nur schrittweise herausbilden. Wir unterscheiden gegenwärtig fünf Entwicklungsstufen, von der einfachen Befehlsmaschine wie Alexa bis hin zur smarten Befindlichkeitsmaschine, die mit uns gemeinsam lernt, unsere Gefühle über Sensoren analysieren kann und smart ist. Das bedeutet, sie kann uns Wissen anbieten, nach dem wir selbst noch nicht gesucht haben, wenn es zu einer zu bearbeitenden Problemstellung passt. Das ist natürlich noch Zukunftsmusik, hätte aber vielfältige Folgen für das Lernen der Zukunft. Im Unterschied zu bisherigen digitalen Lerntechnologien ändert sich nicht nur die Art, wie wir lernen, sondern vor allem das „Was?“. Wird der digitale Assistenten zum persönlichen Avatar, so liefert er situativ personalisiertes Wissen. Damit ist die Frage nach dem Grundwissen völlig neu zu bestimmen. Auch bei den Kompetenzen gibt es dramatische Veränderungen. An die Spitze wird die Fähigkeiten treten, den Avatar richtig einzusetzen und zu nutzen. Schließlich verändert sich auch der Prozess des Lernens. Wenn der digitale Assistent unsere Stärken und Schwächen kennt, kann er auch den Lernprozess individuell personalisieren. Voraussetzung ist natürlich immer, dass wir das wollen und zulassen.

equeo: Müssen wir als Menschen und vor allem als Mitarbeiter in Unternehmen Angst haben, dass uns diese intelligenten Assistenten möglicherweise ersetzen?

Prof. Dr. Abicht: Nein, die intelligenten Assistenten ergänzen und erweitern unsere Fähigkeiten. Sie sind und bleiben kognitive Werkzeuge und können per Definition nicht an unsere Stelle treten. Diese Ersatzfunktion ist schon eher typisch für unabhängig von den Menschen autonom operierenden KI-Systemen und Robotern mit KI-Steuerung. Ängste gibt es vor allem vor dem Aufkommen einer starken KI, welche die kognitiven Fähigkeiten des Menschen tatsächlich übertrifft. Unabhängig von der Wahrscheinlichkeit und Zeitpunkt des Auftretens von starker KI könnten smarte digitale Assistenten sogar ein Mittel sein, um die menschlichen Fähigkeiten so zu erweitern, dass wir mit den autonomen KI-Systemen mithalten oder diese übertreffen.

equeo: Sehen Sie auch Chancen, die sich für uns daraus ergeben?

Prof. Dr. Abicht: Ja, natürlich. Vor allem wird es möglich sein, Lernprozesse zu entrümpeln und endlich das lange überholte Vollständigkeitsprinzip der Wissensvermittlung abzuschaffen und das Lernen auf Vorrat auf das wirklich nötige Maß zu begrenzen. Im Arbeitsprozess können uns die smarten digitalen Assistenten Routineprozesse abnehmen, uns Wissen für Problemlösungen bereitstellen und uns sogar kreative Impulse vermitteln. Auch die weitgehend unüberschaubare Wissenswelt des Internet wird mit ihrer Hilfe transparenter und zugänglicher.

equeo: Welche Bedeutung hat die Entwicklung von intelligenten Assistenten für unterschiedliche Berufsgruppen z.B. Menschen in Dienstleistungsunternehmen oder Menschen, die an Maschinen arbeiten?

Prof. Dr. Abicht: Da wird es sicher Unterschiede geben aber Anwendungsfälle sind in fast allen Berufsgruppen vorstellbar. Auf jedem Fall beim Lernen und der Antwort auf die Frage, welches Wissen wir wirklich brauchen. Eine neue Qualität der Arbeit können sie an den Stellen ermöglichen, wo ständig neues Wissen gesucht und produziert wird. Das ist in vielen informationsverarbeitenden Tätigkeiten der Fall.
Im Arbeitsprozess in Dienstleistungsunternehmen können die Avatare die Speicherung von Informationen in Echtzeit übernehmen, wie das z.B. in der Pflege ständig erfolgt. Oder sie verbessern die Kommunikation mit Kunden, indem sie die eigene emotionale Befindlichkeit mit der der Kunden matchen und Rückmeldungen über die Qualität der Kommunikation geben. Maschinenarbeiter könnten profitieren, indem die intelligenten Assistenten komplexe Informationen reduzieren und personalisiert aufbereiten und übermitteln.

equeo: Was sollten Unternehmen tun, um für diese neue Welt vorbereitet zu sein?

Prof. Dr. Abicht: Drei Dinge scheinen mir besonders wichtig. Zunächst geht es darum, die heute schon existierenden Möglichkeiten schrittweise in den Unternehmensalltag zu integrieren. Ähnlich wie bei der Nutzung von Prinzipien der sozialen Medien im Unternehmenskontext können dabei die Angehörigen der jüngeren Generation als Brückenbauer auftreten. Es ist ja bekannt, dass Spracheingabe von jungen Menschen viel intensiver genutzt wird, als von älteren, die eher Tastatur und Bildschirm vertrauen. Vertrauen ist das zweite Stichwort. Von Beginn an sollten Beispiele ausgesucht werden, die eine echte Arbeitserleichterung ermöglichen und jeglichen Gedanken, das Arbeitstempo zu erhöhen, ausschließen. Die Beispiele können dann zu einer Strategie zusammengeführt und schrittweise erweitert werden. Ohne Vertrauen bleibt aber jede Strategie eine Absichtserklärung ohne Durchsetzungskraft. Auch der dritte Punkt hat mit Vertrauen zu tun. Es geht um die strikte Einhaltung des Datenschutzes. Allerdings weniger ein Datenschutz der Regeln und Restriktionen, wie das heute bei der DSGVO der Fall ist. Digitale Assistenten, die ja unheimlich viel über uns wissen können, brauchen einen Datenschutz, bei dem jeder Nutzer Eigentümer seiner Daten ist, über die er frei verfügt, die aber gegen unbefugten Zugriff rigoros geschützt sind. Er kann dann entscheiden, ob er die Daten mit Dritten teilt, ob er dafür bezahlt werden will, oder ob er Daten in anonymer Form für die Forschung bereitstellt.

equeo: Herr Prof. Absicht, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Bildnachweis: Thomas Reinhard