Für den Neurobiologen Prof. Hüther ist das menschliche Gehirn für das Lösen von Problemen optimiert. Lernen ist demnach ein erkenntnisbringender Prozess, bei dem die selbst gemachten Erfahrungen in Form bestimmter neuronaler Verschaltungsmuster im Gehirn verankert werden.Hüther wörtlich:

Im Gehirn wird die Erfahrung, die wir machen, mit dem entsprechenden Gefühl gekoppelt, das wir in dieser Situation empfinden. Diese Kopplung ist um so stärker, je stärker dieses Gefühl ist. Alles, was uns tief genug ‚unter die Haut‘ geht, ist also stärker im Gehirn und Gedächtnis verankert.

Wenn man diese Definition von Lernen zugrunde legt, fällt das Urteil über viele E-Learning-Systeme negativ aus: Sie orientieren sich methodisch am klassischen Schulunterricht. Es werden in manchmal mehrstündigen Kursen Fakten und Wissen vermittelt. Selbst wenn praktische Beispiele gegeben werden, sind die von den Anwendern meist nicht mit eigenen Erfahrungen verknüpfbar.

Ein Lernsystem zum Thema Korruption wird zum Beispiel als lästige Pflichtübung empfunden, wenn die Nutzer die Inhalte nur Durcharbeiten müssen, um eine Prüfung zu bestehen. Bei vielen Anwendern spielt sich das in der Schule gelernte „Programm“ ab, bei dem wir Lernen als lästige Pflichtübung empfanden.

Wenn aber mein berufliches Schicksal davon abhängt, dass ich mich in einer kritischen Situation richtig entscheide, hat ein passende Lerneinheit eine andere Bedeutung für mich; dann geht das Thema unter Umständen auch „unter die Haut“. Dieses Lerneinheit muss muss dann allerdings auch verfügbar sein, unabhängig davon, wo ich mich befinde, und über welches Endgerät ich gerade verfüge.

Siehe: Hüther und Dohne, Voraussetzungen für gelingende Lernprozesse aus neurobiologischer Sicht, in: Christoph Negri, Angewandte Psychologie für die Personalentwicklung, Kap. 3.3