re:publica - finding europe
re:publica – finding europe

Nicht nur in der Industrie 4.0 verändert die Digitalisierung unser Arbeitsleben, auch in anderen Berufen wird Arbeiten anders. Durch die Digitalisierung wird die Mehrheit der Menschen zu Wissensarbeitern. Was heißt das für das Arbeiten ganz konkret?

Auf der re:publica, einer der weltweit wichtigsten Konferenzen zum Thema digitales Leben, diskutierten fünf Experten für das Leben „Out of Office“ mit dem Moderator Richard Gutjahr: Dr. Thorsten Hübschen, Jana Tepe, Dr. Max Neufeind, Catharina Bruns und Fabian Sixtus Körner (mehr über die Teilnehmer erfahren Sie am Ende des Beitrags).

Im folgenden stelle ich die Hauptthesen der Diskussionsrunde vor.

Die neue Arbeitswelt wird die Arbeit flexibilisieren

Die Digitalisierung verändert nicht nur die Arbeitsweise, sondern auch die Arbeitsinhalte. Viele Jobs werden wegfallen, viele Jobs werden neu definiert werden. Die Automatisierung wird dazu führen, dass viele Tätigkeiten sich zu Wissensarbeiten hin verändern. Noch sind aber keine Strukturen gegeben, um Wissensarbeitern das Arbeiten zu erleichtern. Klar ist für alle jedoch eines: Arbeit wird flexibler werden. Die digitalen Instrumente existieren bereits und unterstützen schon jetzt Arbeit flexibler zu gestalten, meist jedoch nur in kleinen Organisationen. Große Organisationen hingegen tun sich schwerer, neue, flexiblere Strukturen zu schaffen – insbesondere dann, wenn sie erfolgsverwöhnt sind und sich nicht neu ausrichten müssen. Hier haben Unternehmen, die nah am Thema Industrie 4.0 sind, eindeutig den Vorteil, dass sie neue Wege gehen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Arbeit wird unternehmerischer

Doch neben der Flexibilisierung der Arbeit, wird eine große Veränderung für die Eigenverantwortung der Menschen bringen. Arbeit wird unternehmerischer werden. Sie wird einem deutlich schnelleren Wandel unterliegen, als uns das bisher bekannt ist. Durch die stark fortschreitende Digitalisierung werden sich die Berufsbilder immer wieder und vor allem immer schneller der neuesten Technik angleichen müssen. Das bedeutet nicht nur, dass der Einzelne mehr gefragt sein wird, sondern auch, dass es eine Sicherheit gibt, dass Jobs nicht ersatzlos wegfallen, sondern neue Herausforderungen entstehen. Die neue Arbeitswelt bietet jedem die Chance, sich in die Arbeit einzubringen mit seinen Ideen und seiner Expertise.

Arbeit und Privatleben werden miteinander vereinbar

Schon jetzt suchen viele Menschen ihre Arbeit nach der Vereinbarkeit mit ihrem Privatleben aus. Das kann auch Jana Tepe aus ihrer Erfahrung mit Tandemploy bestätigen. Zu ihr kommen häufig junge Männer und Frauen, die verantwortungsvolle Jobs suchen und dennoch Zeit für anderes haben wollen, sei es ein Nebenerwerb, die Familie, Kunst oder andere Lebensträume.

Die große Herausforderung wird sein, Arbeit neu zu verstehen und sie so zu strukturieren, dass die Anforderungen im Job zunehmend mit den einzelnen Lebensmodellen vereinbar zu machen. Wie kann Arbeit organisiert werden, ohne dass die Menschen, die sie tun, darunter leiden? Wie wird Arbeiten wieder menschlicher und kommt wieder mehr ins Zentrum des Seins?

Der Weg zur neuen Arbeitswelt wird lange dauern

Auch wenn die Technik bereits existiert und vereinzelt auch genutzt wird, ist offensichtlich, dass eine grundlegende Veränderung der Arbeitswelt, wie wir sie kennen, nur sehr langsam voran schreiten wird. Zu viele Fragen sind noch unbeantwortet. Nicht nur die Unternehmen müssen sich wandeln, die gesamte Gesellschaft muss sich der Digitalisierung stellen und neue Prozesse gestalten.

In der Aus- und Weiterbildung müssen neue Konzepte erstellt werden, in der ein steter Wandel bereits von vorneherein berücksichtigt wird und die die Menschen dazu befähigen, sich den immer neuen Herausforderungen zu stellen.

Es müssen neue Arbeitszeitmodelle geschaffen werden und die Arbeitsumfelder müssen den Arbeitsprozessen angepasst werden. Das beinhaltet sowohl die Veränderung der Prozesse an sich als auch die Anpassung der Arbeitsorte an die tatsächliche Arbeit.

Die neue Arbeitswelt wird für alle, die das wollen, mehr Raum zur Selbstständigkeit geben. Es werden nicht mehr Jobs angeboten, sondern Tätigkeiten. So werden Möglichkeiten geschaffen, nach Fähigkeiten zu arbeiten und sich seine Arbeitswelt selbst zusammen zu stellen. Nicht nur als Angestellter, sondern auch als tatsächlich Selbständiger können eigene Arbeitswelten erschaffen werden.

Nicht zuletzt müssen auch die großen gesellschaftlichen Themen neu betrachtet werden: Wie funktioniert die soziale Marktwirtschaft in der neuen Arbeitswelt, die nur aus Wissensarbeitern besteht? Wie wird die Kopplung von Arbeit und Geld neu bewertet? Kann das bedingungslose Grundeinkommen eine Möglichkeit sein, Arbeit und Geld gerecht zu verteilen?

Fazit: Viele Fragen sind noch offen.

Die Diskussion zeigt, dass man sich der bevorstehenden Veränderung bewusst ist. Dass die Veränderungen durch die Digitalisierung aus der Mehrzahl der Arbeiter Wissensarbeiter machen werden.

Aber sie zeigt auch deutlich, wie schwer es ist, genau dieses Wissen in die bestehenden Prozesse einfließen zu lassen und damit die neue Arbeitswelt mitzugestalten. Noch gibt es keine Kultur hinter den technischen Neuerungen und es wird noch nach Möglichkeiten der Umsetzung gesucht.

Fakt ist aber, dass unsere Gesellschaft durch die Digitalisierung eine große Chance erhält, die neue Arbeitswelt besser, gerechter und gesünder zu gestalten. Es gibt bereits Wege zur Umsetzung – jetzt müssen sie nur nach und nach begangen werden.

 

Die DiskussionsrundeNeues Europa, neue Arbeitswelt – wie, wann und wo passiert daswurde aufgezeichnet und kann hier angesehen werden.

Die Teilnehmer

Dr. Thorsten Hübschen, verantwortlich für das Office-Geschäft bei der Microsoft Deutschland GmbH, hat nicht nur am „Manifest für ein neues Arbeiten“ (Mai 2014) mitgearbeitet, zusammen mit Dr. Elke Frank hat er auch das im Mai 2015 erschienene Buch „Out of Office – Warum wir die Arbeit neu erfinden müssen“ geschrieben.

Jana Tepe ist CEO und Gründerin von Tandemploy, einer Jobsharing-Agentur, die Menschen die Möglichkeit gibt, sich interessante Jobs zu teilen. Sie ist Verfechterin der Flexibilisierung von Arbeit und setzt diesen Ansatz täglich in ihrer Agentur um.

Dr. Max Neufeind, Policy Fellow bei Das Progressive Zentrum, beschäftigt sich mit psychologischen, soziologischen und ökonomischen Fragestellungen rund um das Thema Arbeit und engagiert sich in vielen Initiativen zur Zukunft von Arbeit und Sozialstaat.

Catharina Bruns, Unternehmerin & Autorin workisnotajob., ist große Verfechterin der Selbstständigkeit und eines neuen, modernen Unternehmertums, in die die Eigenverantwortung deutlich mehr Raum in Anspruch nimmt.

Fabian Sixtus Körner, Journeyman – fabsn’s world, ist Designer, Fotograf, Filmemacher, Autor – ein multidisziplinärer Kreativ-Enthusiast, der nicht gerne innerhalb einer Profession verweilt. Weltweite Bekanntheit erlangte er mit seinem Projekt „Stories of a Journeyman, bei dem er in der Tradition eines Wandergesellen durch 5 Kontinente reiste und dabei seine Arbeitskraft als Gestalter gegen Kost und Logis anbot. Seine Erfahrungen hielt er in seinem Buch „„Journeyman – 1 Mann, 5 Kontinente und jede Menge Jobs“ fest.

Richard Gutjahr, Journalist und Blogger, G! blog, arbeitet als freier Mitarbeiter für die ARD, moderiert beim BR und WDR Fernsehen. Zusätzlich schreibt er unterschiedliche Kolumnen. Er moderierte die Runde.