Das Coronavirus hat nicht nur unseren Alltag verändert, sondern hat auch maßgebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Arbeitswelt. Prof. Karin B. Schlüter, Direktorin des Institute of Electronic Business e.V. (IEB) in Berlin, erklärt in einem Interview mit equeo, wie es Unternehmen in Zeiten der Coronakrise schaffen umzudenken und sich den neuen Herausforderungen zu stellen, um arbeitsfähig zu bleiben. Eine Methode, mit deren Hilfe Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer neue innovative Lösungen finden können und das Umdenken gelingt, ist die Digital Mindshift Methode. Es handelt sich dabei um eine digitale Peergroup-Methode.

equeo: Guten Tag Frau Schlüter, erklären Sie doch kurz was die Digital Mindshift Methode genau ist und wie sie funktioniert.

Karin Schlüter: Bei der Digital Mindshift Methode handelt es sich um eine Peergroup-Methode. Das heißt, Teilnehmer aus ähnlichen Branchen oder Hierarchiestufen entwickeln gemeinsam eine Lösung für ein bestimmtes, individuelles Problem. Dabei kann es sich zum Beispiel um Innovationsfragen und die Entwicklung des eigenen Unternehmens in der digitalen Transformation handeln. Hier kann aber ebenfalls die Entwicklung neuer Geschäftsfelder oder die Optimierung von Prozessen und Workflows im Vordergrund stehen.

Dabei besteht eine Peergroup immer aus drei bis fünf Mitgliedern, die sich über einen Zeitraum von vier Wochen insgesamt viermal treffen. In den wöchentlichen digitalen Workshops tauschen sie sich über einen stark formalisierten Weg miteinander aus, verbinden sich und kommen auf diese Weise zu gemeinsamen Lösungen.

equeo: Warum ist Ihre Methode denn gerade in dieser Zeit sehr wertvoll und für wen ist sie besonders relevant?

Karin Schlüter: In unserem beruflichen Alltag handeln wir häufig nach bestimmten Mustern und Schemata, die wir uns im Laufe unseres Berufslebens angeeignet haben. Dies beginnt bereits in unserer Ausbildung und im Studium. Wir lernen wie bestimmte wirtschaftliche Vorgänge, Workflows und Abläufe funktionieren und können immer auf diesem Wissen aufbauen. In einer unbekannten Situation wie einer Pandemie gibt es diese Muster nicht, da etwas Ähnliches noch nicht passiert ist. Daher wissen wir alle nicht, wie es konkret weitergehen soll. Wir können uns nicht an Mustern aus der Vergangenheit orientieren, sondern müssen neue Muster entwickeln. Und genau hier setzt unsere Digital Mindshift Methode an.

Neue Muster und Lösungen zu entwickeln, fällt uns besonders schwer, wenn wir alleine sind. Wir brauchen Menschen, Gleichgesinnte, mit denen wir uns austauschen können und die uns fördern. Denn zusammen ist man weniger allein. Dafür eignen sich insbesondere Peergroup-Systeme. Dass diese funktionieren zeigen auch andere Modelle wie beispielswiese das Design Thinking oder die Working-Out-Loud-Circles. Hier hat man die Möglichkeit, seine Gedanken zu teilen und neue Ideen sowie Einflüsse zu bekommen.

equeo: Kann Ihre Methode nur innerhalb eines Unternehmens angewendet werden oder können die Teilnehmer aus verschiedenen Unternehmen kommen?

Karin Schlüter: Hier ist beides möglich. Wichtig ist vor allem, dass sich die Problemstellungen im Kern ähnlich sind und die Teilnehmer sich auf diese Weise gegenseitig unterstützen können.

equeo: Wie könnte ein konkreter Anwendungsfall zur Nutzung der Methode aussehen?

Karin Schlüter: Nehmen wir als Beispiel das Bankensystem. Durch die Pandemie hat sich unser Verhältnis zu Bargeld stark verändert. Häufig dürfen und sollen wir nicht mehr mit Bargeld bezahlen. Deshalb steigt die Nutzung von digitalen Zahlungsmethoden. Gleichzeitig wurden viele Bankfilialen geschlossen, da der Kundenkontakt zu unsicher wäre. Es ist also davon auszugehen, dass sich die Situation für Banken nach der Krise erheblich verändern wird, da die Kunden durch ihre Erfahrung in der Krise offener für digitale Zahlungsmethoden geworden sind und diesen vertrauensvoller gegenüberstehen.

Zwar sind diese Veränderungen nicht neu und existierten schon vor der Pandemie, aber diese werden aufgrund der Krise wesentlich schneller vorangetrieben. Dadurch gibt es eine plötzliche Umstellung des Kundenverhaltens. Das heißt, Banken sollten sich schon jetzt auf die Zeit nach der Krise vorbereiten und beispielsweise das veränderte Nutzungsverhalten ihrer Kunden analysieren und neue Geschäftsmodelle entwickeln. Außerdem müssen die Mitarbeiter aktiv auf diese Veränderungen vorbereitet werden und interne Workflows neu strukturiert werden. Unsere Methode kann in solchen Fällen die aktive Lösungsentwicklung unterstützen und voranbringen.

equeo: Sie hatten kurz erwähnt, dass es auch andere Methoden gibt, die sich mit einer ähnlichen Problematik auseinandersetzen. Was ist das Besondere an Ihrer Methode und was hebt sie von anderen innovativen Techniken ab?

Karin Schlüter: Das Besondere dieser Methode ist die extreme Strukturierung und der sehr kurze Zeitraum, durch welchen eine äußerst hohe Effizienz gefördert wird. Das gesamte Programm beschränkt sich dabei auf nur neun Stunden innerhalb der vier Wochen.

Im ersten Schritt erfolgt dabei die Analyse des bestehenden Problems. Diese erfolgt nicht nur in einer freien Unterhaltungssituation, sondern wird durch eine Reihe von Fragen strukturiert. Durch einen Fragenkatalog und innovative Meeting-Methoden kommt man sehr schnell zu ersten Ergebnissen und hat schon nach dem ersten Treffen eine klare Idee davon, welches Problem besteht und welche Herausforderungen die Zukunft mit sich bringen wird. Auf Grundlage dieser Erkenntnis erfolgt eine Problemmusterbildung, also eine genaue Strukturierung sowie die Exploration von Lösungsfeldern, um mögliche Herangehensweisen zu erörtern. Am Ende dieser Phase hat man dann eine variantenreiche Darstellung verschiedener Lösungsmuster.

Im nächsten Zug beginnt dann die Umsetzung der verschiedenen Lösungen. Hier kann man sehen, ob die geschaffenen Ansätze funktionieren können und man bekommt direktes Feedback von den anderen Teilnehmern. Diese Phase ist besonders wichtig, um sehr praxisnah und konkret zu arbeiten und nicht, wie viele andere Methoden, nur auf einer theoretischen Ebene zu bleiben.

equeo: Somit beruht die Methode also auf mehreren Schritten und jeder Teilnehmer kann sich individuell mit seinem Problem auseinandersetzen und hierfür Lösungen finden. Demnach fördert die Methode auch das eigene digitale Lernen des Individuums.

Karin Schlüter: Genau, jeder Teilnehmer bearbeitet sein individuelles Problem. Das heißt, es gibt nicht nur ein Problem innerhalb der Gruppe. Jeder Teilnehmer muss individuell seine Fragen weiterverfolgen. Zwar finden die gemeinsamen wöchentlichen Meetings statt, aber dazwischen ist schon aktives Lernen und Engagement des Einzelnen gefordert. Insgesamt ist die Digital Mindshift Methode sehr nah an einem E-Learning-System angelehnt und funktioniert in der Grundmethodik sehr ähnlich. Mithilfe der Peergroup kann eine positive Erfahrungsumgebung aufgebaut werden und man ist nicht mehr alleine mit seinem Problem, sondern bekommt Hilfe und Unterstützung. Nur auf diese Weise können innovative Ideen und Lösungen entstehen.

Dieses Interview wurde am 28. April 2020 geführt. Mehr Informationen zu der Methode finden Sie auf: www.digital-mindshift-methode.de

Das Institute of Electronic Business e.V. (IEB) ist das größte An-Institut der Universität der Künste Berlin und leistet in enger Kooperation mit der Universität St. Gallen seit 1999 den Transfer von neuesten Erkenntnissen aus der anwendungsorientierten Forschung zur Wirtschaft.